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so teilt der WSE dem Geschädigten mit das er nichts getan hat und vorerst nichts tun wird

R. Barthel

Die juristischen Bocksprünge des Wasserverbands (WSE)

Das juristische Wortgeprassel ist hohles Imponiergehabe; es soll beeindrucken, einschüchtern, abschrecken. Was wirklich hinter den Worthülsen steckt, wird nur erkennbar, wenn man sie auf ihren Inhalt überprüft. Das ist – allgemeinverständlich formuliert – Folgendes:

Die Prüfung „auf der einschlägigen gesetzlichen Grundlage“ ist noch nicht abgeschlossen. Das muss aber erst geschehen sein, ehe eine Entscheidung nach den Vorschriften des Staatshaftungsgesetzes möglich ist. So lange wird das Staatshaftungs-Verfahren ausgesetzt.

Was bedeutet das für die Anträge zu den Altanschließerbeiträgen? Das Gesamtverfahren besteht aus zwei Teilen: Der erste widmet sich dem „Primärrechtsschutz“, der zweite (als logische Folge) dem Sekundärrechtsschutz. Das auf verständliche Weise näher zu erläutern hält der Verfasser nicht für nötig. Um zu verstehen, was mit der Mitteilung gemeint ist, müssen zunächst die Begriffe geklärt werden. Primärrechtsschutz ist der Anspruch des Betroffenen auf die gerichtliche Prüfung einer behördlichen Handlung, ob sie rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Der Sekundärrechtsschutz betrifft die Ansprüche des Betroffenen auf Schadensersatz.

Danach sind die übrigen Bestandteile des Textes zu untersuchen: „nicht abgeschlossen“ heißt, dass der WSE seit dem 1. Quartal 2016, als die Anträge gestellt wurden, bis ins 4. Quartal des gleichen Jahres ( also 7 bis 10 Monate lang) nichts zur rechtlichen Klärung der Streitfrage getan hat, sondern alles auf die lange Bank schob. Und das, obwohl die Grundfrage des Primärrechtsschutzes, die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Altanschließer-Beitragsbescheide, schon im November 2015 vom Bundesverfassungsgericht eindeutig entschieden wurde: Sie sind als „verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung“ rechtswidrig. Am 17. 11. 2015 wurde das öffentlich bekanntgegeben. Seitdem gibt es zu dieser grundsätzlichen Bewertung nichts mehr zu klären. Verbindlich ist diese Entscheidung für den WSE auch, weil das im § 31 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eindeutig so festgelegt ist. Der nächste Schritt, die Entscheidung für den Schadensersatz, steht folglich unmittelbar an. Aber der WSE bleibt untätig, und das ist offenbar beabsichtigt. An einer schnellen Lösung (wenn sie nicht zu ihren Gunsten ausgeht) sind die Verantwortlichen gar nicht interessiert.

Anstatt sich für Rückerstattung zu entscheiden, will der WSE sein Verhalten unbedingt an der „gesetzlichen Grundlage“ der Abgabenordung  ausrichten. Es fragt sich nur: warum? Erkennbar wird das an der willkürlichen und einseitigen Auswahl der einschlägigen Bestimmungen. Der WSE nennt nur zwei Paragrafen: § 37 Abs. 2  AO und § 130 Abs. 1  AO. Bei anderen Gelegenheiten und auch in schriftlichen Bescheiden des Jahres 2016 verkündete der WSE zwar, dass er die Rechtsprüfung nach dem „gesetzlichen Katalog der Abgabenordnung“, also nach allen dafür geltenden Paragrafen, vorzunehmen habe, bezieht sich in seinen Bescheiden aber immer nur auf die §§ 37 und 130 AO, wobei er sich lang und breit auf  seinen gemäß § 130 gegebenen Ermessensspielraum beruft.  Auf diesen „Spielraum“ kommt es ihm an; den will er unbedingt nutzen.

Daran wird die Handlungsweise des WSE besonders deutlich erkennbar: Er wählt die „gesetzlichen Grundlagen“ nach eigenem Gutdünken aus und lässt die unpassenden einfach weg. Welche Paragrafen der Abgabenordnung für die Verfahrensweise bei Kommunalabgaben gelten, ist nämlich ganz genau im § 12 des Kommunalabgabengesetzes festgelegt. Zu den dort benannten gehört auch der § 125, aber der ist dem WSE derart zuwider, dass er ihn durchweg unbeachtet lässt. Damit ist er allerdings in „guter Gesellschaft“: Alle staatlichen und juristischen Instanzen des Landes Brandenburg handeln genauso: die Landesregierung, das Landesverfassungsgericht, das Oberverwaltungsgericht, die juristischen Berater und Gutachter und die Vorstände der Wasserverbände.

Das wird verständlich, wenn man den Inhalt des § 125 kennt. Im Absatz 1 heißt es wörtlich: „Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.“ Das Bundesverfassungsgericht hat die „Umstände“ der Abwasser-Betragsbescheide gründlich untersucht und bei der Anwendung auf längst verjährte Ansprüche festgestellt, dass sie grundgesetzwidrig sind. Als „Fehler“ wiegt das zweifellos besonders schwer. 

Im Absatz 5 des gleichen Paragrafen wird es für den WSE aber noch unangenehmer: „Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.“  Die Feststellung der Nichtigkeit betrifft also nicht die gesetzliche Norm, sondern nur den Verwaltungsakt, weil die Norm rechtswidrig angewandt wurde. 

Auf die strittigen Beitragsbescheide übertragen heißt das: Die Anträge liegen vor, ihre Absender haben als Geschädigte ein berechtigtes Interesse, die Rechtswidrigkeit der Bescheide ist gerichtlich festgestellt, die „Behörde“ ist der WSE selbst; deshalb muss er die Nichtigkeit seiner Bescheide feststellen. Einer weiteren Gerichtsentscheidung bedarf es dazu gar nicht, und ein „Spielraum“ bleibt da auch nicht. Wen wundert es nun noch, dass der WSE, sein juristischer Berater und die gesamte darüber thronende Gerichts- und Verwaltungshierarchie den § 125 AO meiden wie der Teufel das Weihwasser?

Am 14. Dezember beschäftigte sich die Verbandsversammlung des WSE mit dem Problem. Zu Beginn wurde einem Kameramann verboten, die Vorgänge zu filmen. Dazu genügten die beiden Stimmen von Vorsteher Haferkorn und Versammlungsleiter Kirsch. Die übrigen 13 Stimmberechtigten hatten keine Angst vor der Öffentlichkeit.  Dann bot Vorsteher Haferkorn  einige Zahlen, aus denen sich ergibt, dass für ca. 81 % der Grundstücke (genau: 1.940)  63 % der Beitragssumme (14,2 Mio €) aufgebracht wurden. Das sind diejenigen, die nichts zurückerhalten sollen. Für reichlich 18 % der Grundstücke (439) wurden 37 % der Beitragssumme (8,4 Mio €) gezahlt. Das sind diejenigen, deren Akten bei den Gerichten zufällig unbearbeitet liegen blieben und nicht entschieden wurden. An sie wurden die Beiträge schon Anfang des Jahres zurückerstattet. Faktisch gilt also der Zufall als der wesentliche Unterschied, der gemäß Grundgesetz notwendig ist, um wesentlich gleichgelagerte Sachverhalte unterschiedlich behandeln zu dürfen. Mit dieser eigenartigen Rechtsauffassung steht der WSE allerdings nicht allein.

„Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ war angeblich der leitende Grundsatz des WSE bei der Verteilung der Abwasserlasten. Deshalb sollen aus den knapp 2000 übriggebliebenen (nicht erstatteten) Beiträgen, die von schätzungsweise 6000 Bewohnern der betroffenen Grundstücke aufgebracht wurden, die Gebührensenkungen für etwa 160 000 Kunden des WSE finanziert werden. Knapp 4 % der Abwasser-Erzeuger zahlen also „solidarisch“ große Summen, damit den übigen einige Euro im Jahr erspart bleiben. Aber so deutlich sagte das Haferkorn nicht. Stattdessen legte er rein fiskalische Erwägungen zu Belastungen und Risiken dar, die kaum jemand nachprüfen konnte. Unbeachtet blieb dabei, dass das Bundesverfassungsgericht im November 2015 festgestellt hatte: „…fiskalische Gründe –   nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage –  rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung nicht.“ 

Dann folgte die „Bürgerfragestunde“. Der Verbandsvorsteher hatte nur etwa 25 Betroffene in den Tagungsraum gelassen und extra einen Wachdienst als Türsteher engagiert, der den übrigen ca. 30 den Zugang zum Haus verwehrte. Sie durften außen in der Kälte stehen bleiben. Von den zugelassenen Gästen konnten mehrere in den dafür eingeräumten 30 Minuten etwas „Dampf ablassen“. Die Antworten überließ Haferkorn seinem „Rechtsexperten“, der mit einigen falschen Behauptungen  und der zeitraubenden Erläuterung von Nebensächlichkeiten zur Steigerung der Verwirrung und des Unmuts beitrug. Das Ergebnis war: Null. In der anschließenden Abstimmung entschied sich die Mehrheit der Amtsträger dafür, geltendes Recht im Verbandsgebiet außer Kraft zu setzen. Sie sind zwar dazu gar nicht befugt, aber die für den Fortbestand des Beitrags-Unrechts gestimmt haben waren sich der rechtlichen Bedeutung ihres Handelns offenbar nicht bewusst.