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R. Barthel, W. Wetzig

Altanschließer-Beiträge, der WSE und ein neues juristisches Kabinettstück

Am 14. Dezember beschäftigte sich die Verbandsversammlung des WSE  u. a. mit der Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Altanschließer-Beiträge. Die Veranstaltung war öffentlich, aber im Raum waren nur 25 Stühle für interessierte Bürger bereitgestellt. Der WSE hatte jedoch einen Wachschutz engagiert, der nur 25 Gäste einließ und dann die Tür abschloss. Etwa 40 treue Kunden blieben ausgesperrt. Aus Angst vor der Öffentlichkeit wurden auch Film- und Tonaufnahmen der anwesenden Journalisten untersagt. Bei der Abstimmung darüber genügten drei Stimmen, u. a. die von Verbandsvorsteher Haferkorn und Versammlungsleiter Kirsch, während die übrigen 12 Stimmberechtigten nicht so ängstlich waren.

Dann bot Vorsteher Haferkorn einige Zahlen, aus denen sich ergibt, dass für ca. 81 % der Grundstücke (genau: 1.940)  63 % der Beitragssumme (14,2 Mio €) aufgebracht wurden. Das sind diejenigen, die nichts zurückerhalten sollen. Für reichlich 18 % der Grundstücke (439) wurden 37 % der Beitragssumme (8,4 Mio €) gezahlt. Das sind diejenigen, deren Akten bei den Gerichten zufällig unbearbeitet liegen blieben und nicht entschieden wurden. An sie wurden die Beiträge schon Anfang des Jahres zurückerstattet. Faktisch gilt also der Zufall als der wesentliche Unterschied, der gemäß Grundgesetz notwendig ist, um wesentlich gleichgelagerte Sachverhalte unterschiedlich behandeln zu dürfen. Mit dieser eigenartigen Rechtsauffassung steht der WSE allerdings nicht allein.

„Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ war angeblich der leitende Grundsatz des WSE bei der Verteilung der Abwasserlasten. Deshalb sollen aus den knapp 2000 nicht erstatteten Beiträgen, die von schätzungsweise 6000 Bewohnern der betroffenen Grundstücke aufgebracht wurden, die Gebührensenkungen für etwa 160 000 Kunden des WSE finanziert werden. Knapp 4 % der Abwasser-Erzeuger zahlen also „solidarisch“ große Summen, damit den Übrigen einige Euro im Jahr erspart bleiben. Aber so deutlich sagte das Haferkorn nicht. Stattdessen legte er rein fiskalische Erwägungen zu Belastungen und Risiken dar, die kaum jemand nachprüfen konnte. Ein Horrorszenario, das den Bürgermeistern schon vorab zugegangen war, damit sie sich ausmalen konnten, was passieren „muss“, falls sie sich für das Recht der Betrogenen einsetzen würden. Unbeachtet blieb dabei, dass das Bundesverfassungsgericht im November 2015 festgestellt hatte: „… fiskalische Gründe – nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage –  rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung nicht.“                                                                                                                                                                                            Es folgte die „Bürgerfragestunde“. Von den zugelassenen Gästen konnten mehrere in den dafür eingeräumten 30 Minuten etwas „Dampf ablassen“. Die Antworten überließ Haferkorn seinem „Rechtsexperten“, der mit einigen falschen Behauptungen  und der zeitraubenden Erläuterung von Nebensächlichkeiten zur Steigerung der Verwirrung und des Unmuts beitrug. Zudem füllte er die knappe Zeit der Bürgerfragestunde mit Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hatte.

Der Appell eines auf Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwaltes, der vor Jahren aus Bonn zugezogen war, bleibt den anwesenden Altanschließern gut im Gedächtnis. Er erklärte, dass ihm in seiner langjährigen Anwaltstätigkeit ein derartig arroganter Umgang mit höchstrichterlichen Beschlüssen noch nicht untergekommen sei. Er appellierte an die Abstimmungsberechtigten, sich der Verantwortung bewusst zu sein, die sie gegenüber den betroffenen Bürgern tragen und zu bedenken, welches Signal sie im Falle des Abschmetterns der berechtigten Forderungen an die Gesellschaft senden würden. Er befürchtete, dass politische Kräfte, die er lieber nicht nennen wollte, die Sorgen der Bürger für ihre Zwecke missbrauchen könnten.                                                                                                                                 Die Gäste applaudierten, die Verantwortlichen ließen sich davon aber kaum beeindrucken.                                                                                                                             Das Ergebnis war: fast Null. In der anschließenden Abstimmung entschied sich die Mehrheit der Amtsträger dafür, geltendes Recht im Verbandsgebiet außer Kraft zu setzen. Sie sind zwar dazu gar nicht befugt, aber die für den Fortbestand des Beitrags-Unrechts gestimmt haben, waren sich der rechtlichen Bedeutung ihres Handelns offenbar nicht bewusst.

Der Stadtverband der LINKEN ist von dem Ergebnis enttäuscht. Er hatte im Vorfeld Briefe an die Bürgermeister der Verbandsgemeinden gesandt und auf wesentliche Rechtsgrundlagen hingewiesen, aus denen sich die Berechtigung für eine Rückerstattung der Altanschließer-Beiträge ergibt. Auch die Ortsvorsitzenden und die Fraktionsvorsitzenden der LINKEN wurden von dem Brief informiert. Die Hoffnung auf ausreichende Unterstützung erfüllte sich jedoch nicht. Nur die Altlandsberger brachten für die Argumente Verständnis auf, die Neuenhagener meinten, die Sache ginge sie nichts an, und der linke Bürgermeister Hoppegartens konnte sich zu einer Unterstützung nicht durchringen. Wie die Haltung der übrigen Ortsvertreter zustande kam, wissen wir leider nicht. Der Stadtverband der LINKEN wird sich von diesem Misserfolg nicht entmutigen lassen, sondern in der strittigen Frage weiter auf die Einhaltung von Recht und Gesetz drängen.