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K. Kaiser / A. Maurer

Nachlese Veranstaltung vom 05.01.: "Versammlungsrecht – Versammlungsunrecht oder wer ist der Störenfried?"

Unter dieses Thema stellte der „verein alternativen denken“ in Strausberg am 5.1. seinen ersten Jour fixe des Jahres 2015. Warum macht ein der kulturellen und politischen Bildung verpflichteter Verein sowas und diskutiert über und mit der Polizei und das Versammlungsrecht? Weil inzwischen drei ausländerfeindliche Aufmärsche in Strausberg dabei helfen, den öffentlichen Raum zu erobern, auch in dieser Stadt das öffentliche Klima und damit die Kultur des Zusammenlebens zum Negativen zu verändern. Leider: weitere sind geplant. Unser Abend zeigte, dass solche Debatten dringend nötig sind.

Erfreulicherweise stieß die Veranstaltung nach einigem Zaudern auch bei Vertreterinnen der Stadt - Bürgermeisterin Frau Stadler - und Vertretern der Polizei - Herr Fischer, Polizeidirektion Ost, Herr Brandau, für Strausberg verantwortlicher Polizeiführer und aus dem Innenministerium Herr Kalthoff - auf Interesse. Das Podium war somit mit Rechtsanwältin Frau Herrlich und Herrn Fischer prominent besetzt und im Publikum.

Die Verständigung über Grundsätzliches, verfassungsmäßige und rechtliche Vorgaben also, von Anmelde- statt Genehmigungspflicht bis Erstanmelder- und Hör- und Sichtweitevorgaben,  waren dabei eher das kleinere Problem. 

Niemand redete pauschalen Versammlungsverboten für Nazis und Rassisten das Wort. Gerade weil das Versammlungsrecht ein unverzichtbares Grundrecht bleiben soll. Ob diese Feststellung aber ausreicht, um die polizeiliche Praxis, das Einsatzverhalten und die polizeiliche Taktik sozusagen als direkt aus Gesetzen und Urteilen abzuleitende Pflicht zu rechtfertigen blieb bis zum Schluss scharf kontrovers. Und ob wir uns, und dabei schließen wir auch die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter von Stadt und Polizei ein, rechtlich und politisch damit zufrieden geben müssen, dass derzeit vor allem Rassisten und Nazis von einer angeblich versammlungsfreundlichen und die Polizei beschränkenden  („uns sind die Hände gebunden“) Rechtsprechung profitieren, blieb bis zum Schluss ebenfalls heftig umstritten. 

Muss polizeiliche Einsatztaktik Bilder liefern, auf denen der antirassistische und antifaschistische Protest angesichts zunehmender Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten, angesichts (rechts-)Radikalisierung der Mitte, eingezäunt, bewacht, gefilmt und als polizeiliches Gegenüber ins Abseits gestellt erscheint. Und von den eingesetzten Beamtinnen und Beamten auch genauso behandelt wird („Sie stören die Versammlung, die wir schützen müssen und Sie haben hier nichts zu wollen“) -  während die Nazis fröhlich unter freundlicher Bewachung durch Einkaufsstraßen und Wohnviertel geführt werden.  Und was bewirken diese Bilder in den Köpfen (noch) Unbeteiligter? 

Regelungen des Versammlungsrechts liefern hierfür allenfalls ganz allgemeine Grundlagen, nicht aber die Details der konkreten Ausführung. 

Die von den Vertretern der Polizei vielfach wiederholte Argumentation - „wir müssen auch rechte Versammlungen vor Störern schützen und der Protest dagegen läuft letzten Endes immer auf Blockaden hinaus und Blockaden sind nicht erlaubt, also müssen wir die Widerständigen im Zaume halten“ - soll Einsätze und Auftreten begründen. Gerade hier verstecken sich aber hochproblematische polizeiliche Gefahrenprognosen und Lagebilder, politische Bewertungen und Klischees. Hier wird aber auch die politische Rolle der Polizei offensichtlich, die deren Vertreter an diesem Abend nicht annehmen wollten. Diesen Fragen dürfen wir nicht mit dem absolut richtigen Hinweis ausweichen, dass letzten Endes nur die Bürgerinnen und Bürger selbst die Kaperung des öffentlichen Raums durch die Ausländerfeinde und Rechtsextremisten verhindern können.

Deshalb werden wir, der „verein alternativen denken“ darüber, jenseits des Spiels „zitierst Du dein Urteil, zitier‘ ich meins“, weitere Veranstaltungen zu diesem Thema anbieten. Wir hoffen auf ähnliches Interesse bei den Verantwortlichen und allen über die ausländerfeindliche Stimmung besorgte Bürgerinnen und Bürgern. 

Das hier einschlägige bundesweit geltende Gesetz, nämlich das Versammlungsgesetz, sieht aber mit gutem Grund nur eine Anmeldepflicht für Versammlungen unter freiem Himmel und "Aufzüge" vor, nicht aber eine Genehmigungspflicht.

Die zuständigen Behörden sind demnach verpflichtet, bei der Anwendung des Versammlungsgesetzes mit seinen unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich "versammlungsfreundlich" zu verfahren. Insbesondere sind Verbot oder Auflösung von Versammlungen bzw. Demonstrationen nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.

Die heutige Situation im Versammlungsrecht mutet geradezu makaber an: Zu den Hauptnutznießern der liberalen Rechtsprechung gehören vor allem Neonazi-Gruppen. Nicht selten beschreiten sie mit Erfolg den Rechtsweg gegen Demonstrationsverbote, die Behörden unter dem politischen Druck der Öffentlichkeit gegen sie verhängt haben. Ist die Justiz wie schon zu Weimarer Zeiten wieder "auf dem rechten Auge blind"? - Die Antwort muss differenzierter ausfallen: Auf der einen Seite ist es richtig, dass eine rechtsradikale Gesinnung der Teilnehmer als Verbotsgrund nicht ausreicht. Auf der anderen Seite stellt sich allerdings die Frage, ob die vom Grundgesetz gewährte Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit auch für das Verbreiten offen rassistischer, menschenverachtender neonazistischer Ideologie in der Öffentlichkeit gilt. Das Oberverwaltungsgericht Münster verneint dies unter Berufung auf den antinazistischen Impetus unserer Verfassung und hat auf dieser Grundlage mehrere in Nordrhein-Westfalen verhängte Demonstrationsverbote gegen Neonazis bestätigt. Die meisten dieser Entscheidungen sind allerdings von der im Eilverfahren zuständigen Kammer des Bundesverfassungsgerichts mit dem Verweis auf die Schutzwirkung der Meinungsfreiheit und des Parteienprivilegs wieder aufgehoben worden.


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